Home

NataData

Gucken

Lesen

Denken

Surfen

Orientieren

Impressum          



Gespräche mit dem GESANDTEN

Vorwort

Dem, dass der vorliegende Bericht verfasst und der Öf­fent­lichkeit zu­gänglich gemacht wurde, liegt we­der die Absicht zugrunde, die Menschheit davon in Kenn­tnis zu setzen, dass sich aus ihr nicht die ein­zi­gen in­tel­li­genten und bewussten Wesen re­kru­tie­ren - wer würde allein aufgrund der Aussage ei­nes ein­zel­nen Men­schen solches glauben, und was wür­de es nüt­zen? -, noch der Wunsch, dasjenige, was ich über das Wesen des Menschen vernommen habe, mit­zu­tei­len - lediglich das akademische Interesse des ei­nen oder anderen Philo­sophen oder Psychologen wäre mir gewiss - , nein, dieser Bericht verdankt seine Entstehung aus­schließ­lich dem Rat meines Psychoanalytikers.

Seit der »Kontaktaufnahme« war es mir ebenso wenig möglich, etwas anderes, als meine Gespräche und Erfahrungen mit dem GESANDTEN zum Thema der Analysestunden zu machen, wie einen dritten Menschen daran teilhaben zu lassen. Da mein Ana­lytiker bezüglich des Inhalts unserer Gespräche der Schwei­gepflicht unterliegt und diese sehr ernst nimmt, vermute ich, dass hinter seinem Rat, »an die Öf­fent­lichkeit zu gehen«, nicht nur die Einsicht steht, dass für mich aus thera­peutischen Gründen ein coming out mittlerweile unvermeidbar ist, sondern sich auch sein Wunsch offenbart, nicht mehr allei­niger Mitwisser zu sein; denn spätestens seit dem Zeit­punkt, als er begann, die sonst streng gewahrte thera­peuti­sche Distanz zu verkürzen, keine klas­sischen psychoanalytischen Inter­pretationen mehr anbot und sein Nachfragen wie un­ge­schmink­te, egoistischer Wissbegierde wirkte - ich be­frie­digte sie natürlich gerne, denn ich hatte die eigentliche Be­deu­tung der Analyse längst aus den Augen verloren - , wusste ich, dass er sich als Mitwisser empfand, und meine Berichte nicht mehr als interessante Protokolle schizoider oder para­noi­der Erlebnisse klas­si­fizierte. Gleichwohl ist mir bis heute nicht klar, ob er mei­nen durchaus nicht im­mer mit voller Überzeugung vorgebrachten Beteu­erun­gen, ich könne zwischen Realität und Hal­lu­zination unterscheiden, glauben schenkt, schen­ken kann, denn er selbst muss sich ja wie ich die Hintertür der Pathologie offen­hal­ten, um, so para­dox es auch klingt, nicht wahnsinnig zu werden.

Kurz und gut, es ist ungefähr vier Monate her, dass er mich vor die Ent­scheidung stellte, meine Analyse bei ihm zu beenden oder ei­nen möglichst detail­ge­treu­en Bericht meiner Begegnungen zu ver­fas­sen und einem größeren Kreis interessierter Menschen zu­gänglich zu machen.

Für die authentische Rekapitulation der Ereignisse und Gespräche mit dem GESANDTEN wollte er mir gern seine um­fang­reichen Aufzeichnungen mei­ner »Beichten« zur Ver­fü­gung stellen. Und tatsächlich über­reich­te er mir das Aller­heiligste eines Analyti­kers, seine No­tiz­bü­cher, so­fort, nachdem ich ihm einige Tage später meine Ent­schei­dung mit­teilte. Die Spon­ta­nei­tät mit der dies ge­schah ließ lediglich das Bekreuzigen vermissen, um den Ein­druck, es handle sich um einen lang­er­sehnten Ab­solutions­akt, per­fekt zu machen.

Seit diesem Zeit­punkt ging ich nur noch einmal in der Woche zu ihm. Unsere Gespräche be­schränk­ten sich auf Neben­säch­lich­keiten, bis er mich gegen Ende jeder Stunde und be­reits außerhalb des analy­ti­schen settings scheinbar beiläufig fragte, ob ich denn wei­ter­käme. Dass ich mit meinen Auf­zeich­nungen fort­fuhr, war in seinem ureigenen Interesse, wie seine Er­leich­te­rung mir ver­riet, wenn ich knapp bejahte. Da­bei ging es ihm offen­bar nicht mehr darum, meinen »Fall« mög­lichst bald in seinem Insti­tut vor­stellen zu können, wie es lange Zeit sein Wunsch gewesen war. Dagegen sprach die Tat­sache, dass er seine umfangreichen Notizen, die ich ihm - nachdem ich sie kopiert hatte - auf seinen drin­genden Wunsch wie­der aushändigte, angeblich nicht mehr wiederfinden konnte, als ich während einer Stunde darum bat, meine Erinnerung bezüglich eines Ge­sprächs anhand früherer Äußerungen auf­zu­fri­schen.

Nein. Ihm ging es, mindestens so sehr wie mir selbst, um Entlas­tung.

Der interessierte Leser wird uns dies nachsehen.

< nach oben >

Zum ersten Kapitel


Kommentare und Fragen an feedback@natadata.de

zurück zur Lesen-Seite